Donnerstag, 25. Oktober 2012

Chromebook re-loaded?

Es war ein wenig still geworden um das Google Chromebook. Dass es keine "Killer-Applikation" wird war schnell klar, die Einschränkung auf "nur online" und "alles in der Cloud" sind nunmal noch nicht mainstream-tauglich (aber vielleicht in 2016?). Trotzdem benutze ich es auch noch immer fast täglich, wenn natürlich nicht exklusiv. Denn es hat immer noch einen Vorteil, den ich in 20 Jahren Computerei nicht gekannt habe - es braucht absolut keine "Wartung". Keine Installationen, keine langwierigen Updates, keine Hardware-Tuning. Chrome OS aktualisiert sich unmerklich selbst und läuft immer noch genau so schnell und stabil wie am ersten Tag. Und wird das wohl auch noch die nächsten Jahre so tun - es wird wohl mein Computer, den ich am längsten in Benutzung haben werde.

Das "Aura"-Update hat vieles verändert und einiges verbessert. Man hat jetzt eine Art "Desktop" statt dem einfachen Chrome-Browser-Fenster und das Agieren mit mehreren Fenstern ist jetzt intuitiver. Wobei auch die gnadenlose Schlichtheit des" Hier ist Dein Chrome, jetzt leg los!"-Ansatz auch seinen Reiz hatte. Ich muss zugeben, dass mein erster Klick nach dem Start eigentlich immer gleich auf's Chrome-Symbol geht und ich dann nur noch seltenst in die Desktop-Ansicht zurückgehe - aber wenigstens gibt es jetzt 2 Möglichkeiten, mit dem Chromebook zu arbeiten. Und ganz nebenbei: Chrome OS hat die schönsten mitgelieferten Desktop-Hintergründe ;-).

Ein Notebook für alle Einsatzzwecke ist das Chromebook aber auf keinen Fall, hier nur ein kleiner Überblick über Dinge, die man nicht mit dem Chromebook machen kann oder unanständig umständlich sind:

- Videobearbeitung (außerhalb von Youtube)
- Bildbearbeitung (alles außer JPG)
- Audiobearbeitung
- Drucken (ohne Cloud-Print kompatiblen Drucker)
- Präsentationen/Grafiken erstellen


...und natürlich alles, was eh nur von Spezialprogrammen abgedeckt wird, bei mir zum Beispiel vernünftiges topographisches Kartenmaterial und die Simulation von Gitarrenverstärkern.

Und dazu kommt, dass alles, was mit Multimedia zu tun hat eine besonders hohe Übertragungsrate erfordert - auch im Upload. Da werden die mickrigen Upload-Raten bei DSL zum Nadelöhr und ist die UMTS-Quote schneller aufgebraucht als man denkt. Aber hier kann man hoffen, dass das in Zukunft noch besser wird - auch wenn der LTE-Zug natürlich nicht mehr erreicht werden kann. Im Moment macht das Chromebook zweifelsohne am meisten Spass in einem Firmennetzwerk mit schnellem WLAN.

Doch Google ist nach wie vor von Chrome OS überzeigt und bringt in den USA (Deutschland mal wieder ungewiss) ein neues Chromebook mit Samsung heraus. Diesmal zum deutlich konkurrenzfähigeren Preis von 249$ (das alte kostete ursprünglich 449$, Google verfolgt seit dem Nexus 7 eine aggressivere Preispolitik), der auch der etwas günstigeren Hardware (ARM-CPU statt von Intel) geschuldet ist. Das neue Chromebook ist aber keinesfalls leistungsschwächer als die bisherigen Varianten und hat sogar innovative Features wie USB 3.0 an Bord.

Das wird sicher nochmal die Nutzer-Basis von Chrome OS verbreitern und viele, denen das Experiment "in der Cloud" noch zu teuer waren, werden in den USA wohl zuschlagen. Heisst für die bisherigen Chromebook-Besitzer, dass das System wie versprochen weiterentwickelt wird und man nicht bereits ein Jahr nach dem Kauf symbian-mäßig im Regen steht.

Aber wie soll die Zukunft von Chrome OS dann aussehen?

1. Der Fokus bleibt weiter auf der "Cloud", dafür sind bereits 95% der notwendigen Features enthalten. Das heißt aber auch, dass keine innovativen Neuerungen mehr zu erwarten sind und Chrome OS weiterhin ein Nischenprodukt für "Online-Arbeiter" bleiben wird - immer mit der Gefahr versehen, dass Interessenten sich dann schlussendlich doch für ein Tablet (noch handlicher) oder ein klassisches Netbook (Installation von Programmen) entscheiden wird

2. Chrome OS wird in den Mainstream entwickelt. Dazu braucht es offline lauffähige Programme, z. B. die Apps des Android-Store oder, noch weiter gedacht, eine neue Evolution des Chrome-Store, in der Linux-Programme in "Chrome-Version" geladen werden könnn - also eine Art Chrubuntu. Der USB 3.0 Anschluss könnte so etwas schon vermuten lassen, da hier dann das Nadelöhr die geringe Kapazität des internen SSD-Speichers werden würde - zur gescheiten Bildbearbeitung müsste man dann eine schnelle Festplatte per USB anschliessen. So ein aufgeblähtes Chrome würde allerdings viele Vorteile des Ur-Chrome - schnelle Startzeit, Performance, Usability - aufgeben, und müsste sich dann direkt mit Windows-8 und Ubuntu messen lassen.

3. Man bietet 2 Welten an. Die eine bleibt das klassische Chrome OS "web-only", am besten sogar in der Ursprungsversion nur mit dem Chrome-Fenster. Zum "schnell mal schauen" im Web einfach ungeschlagen und für viele Zwecke ausreichend. Dann per Umschalter als virtuelle Maschine (oder als paralleles System) eine Chrome-Linux-Derivat für Offline und "richtige" Programme. Für den Nerd natürlich die optimale Variante, aber ob das für den Normal-User noch verständlich und intuitiv bleibt ist fraglich. Darüber hinaus könnte es dann als Linux+ empfunden werden und wahrscheinlich gegenüber "gereiften" Linux-Distributionen nicht jeden "Nerd-Bedarf" decken können.

Also quo vadis, Chrome OS? Auch in 3 Jahren noch das Nischensystem für die Webworker mit <1% Marktanteil? Ein "me too" OS für Google-affine Familien mit exorbitanten Entwicklungskosten (da wohl alle "Killer-Apps" von Google kommen müssten...)? Oder doch ein duales System für Nerds und Geeks, an dem diese dann doch wieder nach kurzer Zeit die Lust verlieren?

Vielleicht weiss es Google selbst nicht genau und erhofft sich vom neuen Chromebook weitere Erkenntnisse, wer Chrome OS warum braucht. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Google noch lange bereit sein wird, in ein System zu investieren, dass irgendwie zwischen allen Stühlen sitzt. Und auch wenn Chrome OS viele (tausende) zufriedene Nutzer hat kann dies für Google nicht zufriedenstellend sein - hier kann das Ziel nur sein, noch viele (Millionen) mehr zu begeistern.

Wird an Chrome OS noch in 2014 gearbeitet? Ja, ich denke schon. Auch noch in 2016? Halte ich derzeit für sehr fraglich - aber wer weiss, vielleicht kommt ja noch die ultimative Killer-App und alles wendet sich zum Guten...